Einst, in einer abgelegenen Bucht der Costa Brava, revolutionierte der Koch Ferran Adrià die gastronomische Welt von den Herden von El Bulli aus. Was als klassische mediterrane Küche begann, verwandelte sich in eine echte Ideenfabrik für Essbares. Dort entstanden Techniken wie die Sphärifizierung, die Gefriertrocknung oder der Einsatz von flüssigem Stickstoff, die in der Lage waren, bescheidene Gerichte — wie Suquet de Peix oder Tortilla de Patatas — zu flüchtigen Kunstwerken zu erheben, die im Mund explodieren und im Gedächtnis bleiben. Heute lebt sein Erbe weiter und entwickelt sich in Disfrutar, dem Restaurant seiner Schüler in Barcelona, wo Überraschung das Menü ist und Kreativität zur Religion wird. Eine „Tortilla“ kann in Form von verkapseltem Schaum erscheinen, und eine Tomate kann im Geschmack explodieren... ohne Tomate zu sein. Die mediterrane Küche ist noch da, aber sie trägt den Raumanzug der Innovation. Und während die Küche fliegt, schlägt der Wein... Wurzeln. Im Herzen von Murgia, Puglia, im Süden Italiens, haben zwei junge Winzer —Morasinsi— beschlossen, eine weitere uralte Tradition neu zu interpretieren: die des Weins. Wie Adrià mit seinen Gerichten, beginnen sie mit dem Wesentlichen: der Erde, der Traube, der Zeit. Aber sie begnügen sich nicht damit, überlieferte Rezepte zu befolgen: Ihre Vision kombiniert das Uralte mit dem Experimentellen, stets aus tiefem Respekt vor der Natur. Denn Morasinsi ist nicht nur ein Name. Es ist eine Absichtserklärung: „M“ für Murgia, die Mutter Erde, die ihre Weinberge beherbergt und sie mit lehmigen, warmen und mineralstoffreichen Böden nährt. „Ora“, die richtige Zeit, die jeder Wein braucht, um seine Stimme zu finden, ohne gezwungen zu werden. „Insi“, von insieme (= zusammen), beschwört das harmonische Zusammenleben von Reben, Insekten, spontanen Pflanzen und Menschen. Einer ihrer emblematischsten Weine, der Picco della Vigna, stammt von alten Rebstöcken des Nero di Troia, einer edlen und oft missverstandenen Traube. Bei seiner Herstellung gibt es keine Eile und keine Kunstgriffe. Zuerst gären die Trauben in Beton mit einheimischen Hefen, ruhen in Amphoren und Fässern und schließlich reifen sie in der Flasche, bis sie ihre Harmonie erreichen, ohne geklärt oder gefiltert zu werden.  Und hier schließt sich der Kreis. Denn während Ferran Adrià ein Gericht neu erfand, füllt Morasinsi Landschaft, Klima und Seele in Flaschen. Wo der eine das Gericht verwandelte, rettet der andere den Wein in seiner aufrichtigsten Form. Hier gibt es keine Schäume und keinen Stickstoff. In Picco della Vigna gibt es Tiefe, Charakter und Erinnerung. Und das ist auch Innovation.